Wawau Adler – Here’s to Django!

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„Ich mag es nicht so schnell, lieber schön“, sagt Wawau Adler. Dass er beides bestens beherrscht, beweist der international renommierte Gitarrist auf „Here’s to Django!“, seiner fabelhaften neuen CD.

habets_adler_01Offensichtlich ist dieses Wunderwerk eine Hommage an Jean „Django“ Reinhardt, den belgischen Maestro des Jazz Manouche – oder auch „Gypsy Swing“ – und nach wie vor einflussreichsten europäischen Jazzmusiker, der am 23. Januar 2010 seinen einhundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Doch zum Glück sind diese zwölf Kleinodien für zwei Gitarren und einen Bass (und einmal sogar Cello) so viel mehr. Mal romantisch, auch mal rasant, immer rhythmisch, zu gleichen Teilen tief empfunden und hocherfreulich, transportiert sich die Musik dieses „Gypsy-Trios“ jenseits von Stilfragen oder Traditionalismus.

Wer Django noch nie bewusst gehört hat, außer vielleicht im Soundtrack von The Matrix und diversen Woody-Allen-Filmen, kommt hier mindestens so sehr auf seine Kosten, wie alle Hot-Club-Jünger und Djangologisten. „Ich wollte Django meine Ehrerbietung erweisen“, sagt Wawau Adler, auf die ihm eigene Weise. „Deshalb war es mir wichtig, ihn keinesfalls zu kopieren. Ich spiele seine Melodien und meine eigenen Kompositionen, aber immer ganz anders als zuvor.“

Schon das Gitarrenspiel des gebürtigen Karlsruhers ist erfrischend modern, seine Arrangements so bezaubernd wie bewundernswert. Nach aufwändiger Vorbereitung und an nur zwei Dezembertagen im Tonstudio Bauer entstand so ein zeitlos schönes Album, das bestens zu Sonnenstrahlen auf Schnee oder Eiswürfeln im „Sundowner“ passt. Die Gefühle und Stile – von Djangos Einflüssen über Tango und Swing bis zu Bolero und Bebop – sind allumfassend und auf den Punkt; wer diese Musik hört, lebt ein Stück beschwingter. Schon die Eröffnung zu „Daphne“, der wohl bekanntesten Reinhardt-Komposition auf dieser CD, lässt aufhorchen. „Eigentlich wollte ich nur meine ganz persönlichen Lieblingsstücke von Django spielen“, erinnert sich der 42-jährige Leader, der sich seit seinem neunten Lebensjahr intensiv mit dieser Musik beschäftigt. „Dazu gehörte auch „Swing 42“ in G-Dur. Wir saßen also im Studio und ich fing auf einmal an, einen schiefen Lauf auf zwei Saiten zu spielen. Plötzlich fiel mir auf, dass man so auch „Daphne“ spielen könnte. Ich holte Joel, den Bassisten dazu, er stimmte ein, und kurz darauf war diese Version aufgenommen.“

habets_adler_02Überhaupt ist Josef Adler, der seinen jazzigen Spitznamen seiner tierlieben älteren Schwester verdankt („Der sieht ja aus wie ein kleiner Wawau!“), voller Lob für seine Musiker. Tatsächlich unterstützen und beflügeln ihn die emotionalen Energien seiner instrumentalen Kollegen immer wieder aufs Neue, namentlich Mano Guttenberger und der 27-jährige Joel Locher, ehemaliger Solokontrabassist des Stuttgarter Jugendkammerorchesters, der seit einigen Jahren fest zu Wawau Adlers Ensemble gehört und bei dieser Aufnahme auch einmal Orgel spielt. „Die Cellistin war eine Empfehlung von Joel“, erinnert sich Wawau Adler. „Ich hatte schon genau im Kopf, wie sie auf „Anouman“ spielen soll. Das war mir besonders wichtig, auch weil es eines der letzten Stücke Djangos ist – er hat es 1953 kurz vor seinem Tod aufgenommen. Katarzyna Krzyminska hörte zu, sah sich die Noten an und konnte meine Ideen sofort umsetzen. Sie hat sich wunderbar in unseren Bandsound eingefügt.“

Auch im Trio eröffnen sich immer wieder enorme Klangfarbenwelten, überraschend und überzeugend. Beispielsweise in der träumerischen Ballade „Samois sur Seine“, Djangos Alterswohnsitz in der Nähe von Fontainebleau gewidmet, also eben jenem Ort, an dem Wawau erst 2003 beim „Django Reinhardt Festival“ mit seinem Auftritt für eine kleine Sensation sorgte. „Miri Gieli“ besticht, ebenso wie der selbsterklärend sagenhafte „Swing de Wawau“, durch seinen spielerischen Fluss, der die Komplexität der Komposition gewandt maskiert. „Der Titel bedeutet „Meine Komposition“, was zwangsläufig ausdrückt: Das bin ich! Es geht schon sehr in Richtung Bebop, weil ich dabei an Charlie Parker und sein „Donna Lee“ dachte. Dabei kam ich auf diesen Lauf“, sagt Wawau Adler und singt gleich vor, was er meint. „Schon war es da. Und ich finde, das ist nicht so ein schlechtes Lied.“

Auch nicht ungut und sicher nicht ganz selbstverständlich sind „Afternoon in Paris“, eine herrliche Komposition von John Lewis (der natürlich auch „Django“ für sein Modern Jazz Quartet geschrieben hat), und John Williams‘ Ballade „Moonlight“, die Sting vor fünfzehn Jahren für den Soundtrack einer Neuverfilmung des Hollywood-Märchens „Sabrina“ eingesungen hatte. Dass sich diese zarte Pop-Melodie, ebenso wie die des „Sheik of Araby“ und die schallmauerdurchbrechende Kurzversion von John Coltranes „Impressions“, die Wawau allerdings als „Gag“ abtut, in den immer schönen (und manchmal eben auch schnellen) Strom dieses Ausnahmealbums einfügt, spricht Bände – und immer wieder für Wawau Adler.

„Nicht das Genie ist hundert Jahre seiner Zeit voraus, sondern der Durchschnittsmensch ist um hundert Jahre hinter ihr zurück“, meinte Robert Musil einmal. Wer Django erst zu seinem Hundertsten für sich entdeckt, bekommt mit „Here’s to Django!“ gleich eine neue Chance. Wawau Adler ist ein sehr lebendiges Jahrhunderttalent – und dieses, sein mindestens viertes Album sein persönlicher Triumphzug.

VÖ: 30.4.2010 MM801138

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