PEE WEE ELLIS – THE COLOGNE CONCERTS -TWELVE & MORE BLUES

Pee Wee Ellis – „Twelve And More Blues“ erscheint am 21. August 2015

Blechgeblasenes hat niemals einfach gerade Konjunktur, es ist schlicht aus der Musik des 20. Jahrhunderts wie auch aus der des neuen Millenniums nicht wegzudenken. Und es hat sich in beinahe jedem Genre seinen Platz erobert, wenngleich man es im Jazz am sichersten vermutet. Das wiederum galt für Alfred „Pee Wee“ Ellis nicht immer. Der 1941 in Bradenton, Florida zur Welt gekommene Ellis sammelte seine ersten und bis heute relevanten Meriten als Rückgrat der Band von James Brown, und „The Sex Machine“ hat zwar gelegentlich mit dem Jazz geflirtet, seine hauptsächlichen Avancen aber galten auf der Bühne den Rare Grooves, dem gospellastigen Soul, den funky Grooves, für welche Ellis gemeinsam mit den Kollegen Maceo Parker und Fred Wesley den roten Teppich ausrollte.
Vier Jahre nur, von 1966 bis 1969 weilte er beim Godfather of Funk, danach verwirklichte Ellis eigene Projekte und arrangierte von 1979 bis 1986 einige der renommiertesten Alben von Van Morrison. Als aber 1993 zwei Konzerte von Pee Wee im Kölner „Schmuckkästchen“ mitgeschnitten und kurz darauf als sein zweites Solo-Album „Twelve And More Blues“ veröffentlicht wurden, rieb sich zumindest die alte Fangemeinde von James Brown verwundert die Augen. Ellis hatte zwar nicht den Grooves und auch nicht dem manchmal höchst rhythmischen Spiel auf dem Saxophon abgeschworen, doch die vermutlich für jeden anwesenden Gast unvergesslich gebliebenen Abende standen mit beiden Beinen felsenfest im Jazz. Und zwar bis zu den Knien.
Jetzt wird das schöne (und inzwischen längst vergriffene) Werk neu aufgelegt – remastert von den Original-Analogbändern und in voller Länge. Soll heißen: Mit 19 anstelle der damaligen neun Titel. Und was der Südstaatler hier, begleitet nur von Dwayne Dolphin am Kontrabass und dem Schlagzeuger Bruce Cox, an Intensität und Klangfülle abliefert, lässt an eine Metamorphose der Konzepte legendärer Power Rock Trios ins Genre Jazz denken. Zumal Pee Wee Ellis sich noch im Jahre 1993 an die längst im Nirvana verschwundenen Tugenden seiner Lehrväter und Kollegen Sonny Rollins und Ron Carter erinnert und der uneingezäunten Improvisation das Wort redet. Die längsten seiner Titel jedenfalls überqueren die 10-Minuten-Grenze mühelos und klingen trotzdem so, als seien sie mit diesem Raum mal so gerade eben ausgekommen.
Das Repertoire, mit dem Pee Wee Ellis diese Abende bestritt, sucht selbst im seiner Historie meist verpflichteten Genre Jazz seinesgleichen. Was mit Ray Hendersons „Bye Bye Blackbird“ aus dem Jahre 1926 beginnt und über Duke Ellingtons „In A Sentimental Mood“ und Victor Youngs „Stella By Starlight“, gecovert auch von Stan Getz, Charlie Parker, Bud Powell, Miles Davis, Dexter Gordon, Keith Jarrett und unzähligen anderen, bis hin zu eigenen Stücken von Ellis führt, zählt ob seiner Vielfalt und Differenzierung zu den Sternstunden des Jazz in den 90er Jahren. Kaum ohne Grund fand das Album seinen Platz unter den Jahres-Top 10 der renommierten New York Times. Und dort könnte es im Grunde ein zweites Mal landen, denn „The Cologne Concerts-Twelve And More Blues“ klingt auch 22 Jahre nach seiner Entstehung so wie frisch gepresster Orangensaft schmeckt: Kein bisschen abgestanden.
Nur wer bislang Ellis lediglich im Verbund mit Parker & Wesley als – ohne jeden Zweifel famosen – Soundtrack-Lieferanten für lange Tanznächte kannte, darf sich angesichts dieser Live-Aufnahme aus Köln auf eine herrliche Überraschung freuen. Wo die JB Horns vor jedem ihrer Konzerte ohne den namensgebenden JB „Two percent of Jazz and 98 percent of funky music“ versprachen, dreht Pee Wee Ellis den Spieß nun um – wenn auch nicht ganz um 180 Grad. Mit Jazz für die intellektuellen Analytiker nämlich, mit jener Musik, welche die stets leicht kopflastigen Liebhaber ausufernder Expertisen so gern für sich reklamieren, hatte der Amerikaner nie etwas am Hut und pflegt diese lächelnde Ablehnung bis heute. Sein Trio frönt lediglich der gepflegten Form der Abendunterhaltung eher als dem leicht exzessiven Tanzvergnügen samt seiner frivolen Anklänge der JB Horns.
Komplex und ansatzweise vielleicht sogar kompliziert ist „Twelve And More Blues“ nur in Gänze, die einzelnen Tracks hingegen belassen, es trotz ihrer manchmal imposanten Länge, beim spielerischen Umgang mit dem hohen Anspruch. Lieber musiziert das fantastische Trio immer mit einem Mindestmaß an Lässigkeit und nie ohne einen Bodensatz feinen und unüberhörbaren Humors. Wer aber könnte sich Pee Wee Ellis ohne all diese Ingredienzien auch vorstellen? Und vor allem: Wer wollte dies wohl tun?

Stefan Krulle

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